Erinnerungen an heute
Hans-Helmut Decker-Voigts Kolumne erscheint alle zwei Wochen in der Uelzer Allgemeinen Zeitung. Hier an dieser Stelle wird es ein- oder zweimal im Monat eine neue Veröffentlichung geben.
Hartmuts Problem

Vetter Hartmut lebt in einer patchwork-family. Auf deutsch heißt das: Er lebt nach seiner Scheidung mit einer neuen Frau und deren Kindern, die nach ihrer Scheidung von einem Mann mit dessen Kindern noch einen Versuch wagt: Mit Hartmut und seinen Kindern. Das Risikopotenzial mit Eva (seiner Neuen), sagt Hartmut, ist viel kleiner als das mit deren Kindern, die nun auch seine sind. Sagt Hartmut, der sehr verantwortungsvoll lebt. Und gestern besort fragte, ab wann Kinder als süchtig bezeichnet werden. Bildschirmsüchtig.

Die nuen Kinder in seinem Leben sind keine mehr. Sie sind 13 und 15 Jahre uralt und deshalb werdnde Männer. Sie lassen Hrtmut das immer wieder wissen, wenn er sie inlädt zu irgend etwas außerhalb des Hauses. Zu Abwechslung vom ewigen vor-der Glotze-sitzen. Was Hartmut nervös macht. Weil es nicht gesund ist.

Aber Hartmut verführt umsonst. Faltboot fahren auf dem Kanal? Och nö, da ist die neue Play Station (Ostereigeldgeschenk der einen Großeltern). Oder eine Sandkuhlen-Tour mit den neuen Bikes (die von den anderen Großeltern finanziert wurden)? Auch neee - dagegen stehen eingetauschte brandneueVideospiele. Oder eine Tauchtour mit den noch nie benutzten Tauchausrüstungen vom letzten Sommer im Baggersee, der jetzt 20 Grad hat? Auch nicht? "Nintendo 64" sei dran? Was ist das? Ach so - auch was mit Bildschirm. Der bsorgte Hartmut lässt sich aufkläen über die Karriere ur Sucht. Süchtig können wir also

von allem werden?Aber ja, von allem, Tee, Kaffee, Labello. Und vom Bildschirm. Aber ist Sucht noch Sucht, wenn eine ganze Generation ihr verfällt? Ich berichte Hartmut davon, dass die Hirnphysiologen der Stanford-University in Kalifornien folgendes festgestellt haben wollen: Der Frontalhirnlappen hat sich in den Köpfen derjenigen jungen US-Amerikaner-Generation ungewöhnlich breit gemacht, die alles Wissen der Schule und Hochschule über PC lernen (45% des Unterrichts).

Später im Beruf acht Stunden am PC-Arbeitsplatz sitzen, um danach erschöpft in der Freizeit TV zu sehen oder Video oder ihre Staions zu playen. Der Monitor verändert auf Dauer die Hirnorganik, weshalb die Definition "Bildschirm-Sucht" eines Tages schwierig wird. Denn dann ist das Wahrnehmugsfeld des modernen Menschen so eingeschränkt, dass es nur noch den Ausschnitt Monitor erfasst, nicht mehr, was daneben, darüber, darunter, dahinter ist.

Hartmut tut mir leid. Ich konnte ihm nicht raten. Deshalb lade ich ihn ein, mit mir einen der seltenen Biergärten der Ostheide heute Abend aufzusuchen. Aber Hartmut kann leider nicht. Er muss heute Abend mit seinen neuen Kindern einen neuen Serienbeginn im TV sehen. Könnte er zugunsten des Bierabends nicht die Serie auf Video aufnehmen und später sehen? frage ich. Will er auch nicht. Hartmut sieht, sagt Bille (Hartmuts Ex), seit sie ihn vor 18 Jahren kennen lernte, verlässlich fern. Punktgenau ab 19 Uhr. Zur Frontalhirnlappen-Veränderung wird es aber nicht reichen. Dazu hätte er bereits in der Schule einen PC-Lernplatz haben müssen.

(09. Januar 2007)

Den Autor erreichen Sie unter: Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de