Von Witwen auf Stroh und Gras

     

Es begann damit, dass ich meiner Nachbarin – sie ist derzeit Strohwitwe – über die Straße zurief, dass es eigentlich komisch sei: Der Strohwitwer sei viel bekannter als die Strohwitwe und warum wohl…
Es bleibt ein Geheimnis meines Unbewußten oder ist schlicht mangelnde Bildung oder Faulheit, selbst zu recherchieren. Jedenfalls irrte ich mich gewaltig: Strohwitwen sind viel älter als Strohwitwer. Ich meine natürlich den Begriff der Strohwitwe. Meine Nachbarin hat nämlich recherchiert:
Natürlicherweise hat Strohwitwe mit dem Bettstroh zu tun, auf dem Paare lagen und liebten - bevor es dänische Bettenhäuser gab.  Aber ganz ursprünglich fehlte manchem Paar wohl das Bett und sie liebten sich im Freien auf Gottes Gras  – „Graswitwen“ gab  es deshalb auch. Oder sie liebten sich auf altem, getrocknetem Gras der Sommersonne - wie sie uns 2014 schon im Vorfrühling einlädt. Lieben auf Stroh – das ließ dann Graswitwen zu Strohwitwen werden. Solche Paare waren oft nicht verheiratet, weshalb die Braut dann, wenn sie heiratete, nur eine Krone aus Stroh vor dem Altar trug, keinen Myrtenkranz oder Brautkrone oder weißen Schleier oder was der Symbolik für Jungfräulichkeit mehr ist.

Viel später erst kamen wir, die Strohwitwer.Den Begriff, meine ich.
 

Merkwürdig eigentlich, wo der Frau im Gras oder Stroh doch auch schon ein Mann beiwohnte und sie erst dadurch zur Gras – Strohwitwe machte. Wir Männer waren mal wieder nicht verantwortlich… Was mich an den Sündenfall in der biblischen Fassung erinnert, an dem Adam auch weniger Schuld war als Eva, weil die ihn ja verführt hatte zu diesem berühmtesten, weil verbotensten Apfelessen der Welt. Schon typisch, dass er sich bei Gottes Zornesruf „Wer war das?“ erstmal hinter dem Baum versteckte.
Der „Strohwitwer“ belehrt mich meine Nachbarin umfassend, entstand später, erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts und folgte dem französischen „homme de paille“, zu deutsch einem Strohmann. Das war anfangs das Wort für Vogelscheuche, später für den Mann, den wir bei gewissen Geschäften kennenlernen mußten, als der, der vorgeschoben war vor den eigentlichen Macher von Geschäften. Eben sehr trüben Geschäften, bei denen wir behandelt werden wie die Piepmätze, die glauben, die Vogelscheuchen seien wir selbst, Menschen.

Natürlich ist klar, was Strohwitwe/r heute sind: Singles, deren Ehepartner mal weg sind. So wie ich jetzt wieder bald. Ob wir Außenminister für unser Land oder Außendienstmitarbeiter für Sanitär-und Heizungsanlagen sind: Strohwitwer und -witwen  machen wir immer, wenn wir fest verbandelt - und trotzdem weg sind…



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
18. März 2014