Rache ist blau

Christine liest das Schild in Groß-Süstedt und ruft, was sie liest: Blaubeeren!

Ich halte in der Einfahrt zum Hof Meyer und der Einkauf der Blaubeeren braucht Zeit. Viel Zeit. Erst ist keiner da, was gut ist, um Ware unbeobachtet zu beobachten. Dann nähern sich Vater Meyer und Tochter Feodora und Feodora erzählt Geschichten zu dem, was sie verkauft: Blaubeeren, Marmeladenblaubeeren, selbstgemachte Blaubeermarmelade, Blaubeerwein, Blaubeerhonig…Blaubeeren zum Selbstpflücken. Ich kenne Meyers schon vom Spargel.

Seit 1979 züchten Meyers Blaubeeren, die dicken Beeren, nicht die, die in meinem Kinderbilderbuch von Hänschen gesammelt wurden: „Hänschen im Blaubeerwald“. Das Buch ist so alt wie Christines großer Bruder Fritz. Und ich.    

Die großen Beeren haben ihre Geschichten und die kleinen eben auch. Die kleinen wurden von Fritz und Konrad in den 2-l-Eimerchen gesammelt, in denen morgens Milch geholt wurde, nachmittags nach der Schule dann Blaubeeren. Die kleinen, die die Zähne blau machen.

Fritz war ein gutmütiges Kind und das blieb er sein Leben lang. Trotz Physik und Mathematik – im Lehramt. Konrad war das Gegenteil.

„Lass uns erst meinen Eimer voll sammeln“, schlug Konrad vor und als dessen Eimer randvoll war, musste Konrad plötzlich weg. Zwei Stunden dauert es, bis solch Eimer mit kleinen Blaubeeren gefüllt ist. Fritz sammelte an jenem Tag 4 Stunden.

Mit Feodora ist das Blaubeerengeschäft ein seriöses Geschäft, kein Konrad in der Nähe. Feodora erzählt von den gezüchteten großen Blaubeeren, die auch die Zähne nicht mehr so färben wie die aus dem Wald. Sie erzählt, wann sie oder die anderen Meyers verkaufen, erzählt von der alten Waage, vom Honig und den Kartoffeln…

Feodora zeigt einen Rahmen, der noch kein Bild hat und sie erzählt vom Wettbewerb, den sie mit dem Bilder-Rahmen auslösen will (der Wettbewerb steht sogar im Netz).

Jeder kann mitmachen, der oder die bei Meyers Blaubeeren in welcher Form erworben hat. Dann macht man/frau ein Selfie zuhause und schickt es Meyers für ihren Bilderrahmen.

Es ist ein Jammer, dass Fritz und ich so alt sind und wir nur noch diese großen Blaubeeren verzehren, die die Zähne nicht blau machen. Denn wir hatten damals wunderbar blaue Zähne und Lippen und unsere Cousinen veranstalteten auch einen Wettbewerb. Wer beim Küssen den anderen die Blaufarbe abgeben kann.

Die kleinen Geschichten machen auch Geschichte. Und dem Konrad, der Fritz damals reingelegt hat, schicke ich diese Kolumne zu seinem 80. Geburtstag zu. Rache ist süß. Auch wenn sie spät ist.

02. August 2022