„Unmöglich…“                                          

Basti schrieb eine Klausur im Fach Mathe, in dem er grottenschlecht ist. Sein Fachlehrer ruft ihn bei der Rückgabe auf. „Glatt befriedigend, Sebastian, es geht steil aufwärts mit Ihnen!“

Wie reagierte Basti (ich kenne ihn, weil ich auch in Mathe dauergeschwächelt hatte): „Unmöglich“ sagt Bastians. Laut. Das meinte er auch, weil er in nichts und mit nichts geschummelt hatte. 

Oder umgekehrt bei Kornelius damals. Ein As in Statistik. Einmal rutschte er von sehr gut plötzlich auf „Ungenügend“. In der kurzen Zwischenzeit hatte sich Kornelius hoffnungslos verknallt. „Unmöglich“ sagte auch er damals und verstand seinen Verstand nicht mehr.

Oder: Am Morgen des 24. Februar hörten viele Menschen vom Angriffskrieg auf europäischem Boden. Da fielen an unzähligen Orten in der Welt die Wörter: „das kann doch nicht wahr sein.“ Er war wahr. Der Kriegsausbruch in Europa.

Oder Alltagsausdruck: „Das ist unsäglich“ sagte mein Großvater, als mir eines der verbotenen Wörter entfuhr. „Sch…“ durfte man durchaus im stärkeren Affekt sagen. Etwa wenn die Kakaotasse umkippte. Aber „A…“ hatte zum Ungehörten zu gehören. Eben deshalb zum Unsäglichem.   

„Unglaublich!“ ruft der Olympiasieger in die Kameras, als er vom neuen Rekord erfährt. Und glaubt íhn selbst nicht. Seinen Sieg.

In Uelzens Bahnhofstraße kaufte ich jetzt in einem türkischen Geschäft beste Oliven ein, größere Verpackung randvoll. Ich hielt meine Kreditkarte hin und hörte bedauernd: „Leider keine Karten.“ Das ist immer ein Moment, der (m)eine Selbstsicherheit erschüttert. Besonders in einer Warteschlange.

Ich stellte die Oliven ab, sage, meine Frau säße draußen im Auto - - - die hat Bares - - -  sofort zurück - - - sie möchten bitte - - -   Entschuldigung - - -  Was man dann so stammelt.

Hinter mir steht ein Mann und sagt „ich zahle für Sie“. Ich wehre dankend ab. Er wiederholt, er wolle zahlen. Ich wiederhole, ich will das nicht. Er wiederholt. Ich sage was von Nichtannehmen, Garnichtkennen - - - was man dann so stammelt. Raus und rüber zu Christine, zurück mit ihrem Zwanziger.

Aber die Oliven und Bohnen waren bezahlt. Der Mann mit seiner Frau gingen draußen am Schaufenster vorbei.

Ich schaffte es noch, sie anzuhalten, den Zwanziger zu zeigen. Erfolglos. Immerhin erfahre ich seinen Namen. Yasin Gül heißt er. Und hat mit Haarpracht, einem Frisiersalon, zu tun.

Christines Reaktion? „Unglaublich.“ Die meisten Realitäten verneinen wir.  Just, wenn sie sich ereignen.

Tante Erna, unsere Bäckersfrau, nutzte die kürzeste Verneinung. Als sie im Lotto-Tabakladen einmal 150 Mark gewann, rief sie laut und mehrmals „Nee – nee – nee.“

26. April 2022