Erzähl keinen Blödsinn

In Bonn war`s noch nicht ganz so doll. In Berlin nahmen sie dann zu - die Beleidigungen der Abgeordneten untereinander. In den 90er Jahren derart, dass das Bundestagspräsidium es aufgab, Beleidigungsklagen zu verfolgen.

„Lügner, Betrüger, Hochstapler“ waren die Renner unter den Beschreibungen, die sich die Abgeordneten gaben.

Dann schwappte Donald Trump von jenseits des Ozeans rüber und vervollkommnete die neue Kultur: Je doller die Beleidigung desto wirksamer. Und daher besser.

Trump näherte sich im Ton fast unseren ersten deutschen demokratisch gewählten Parlamenten in Weimar mit minus/plus zehn Parteien. Da wurde durcheinander getönt, gerufen, geschrien. Mit Trump schreit mal die kleinere, mal größere Hälfte der USA.

Nun wird in der Heide nicht so geschrien. Schon gar nicht, wenn man Hansestadt ist, an ethische Grundlagen glaubt und außerdem an das bisschen Gute im Menschen.

Nun ist es aber passiert. Nicht im Gremium, nicht am Stammtisch, nicht in der Familie. Sondern auf einem Rathausvorplatz vor rund 140 Ohren der Öffentlichkeit.

„Erzähl keinen Blödsinn!“ ruft ein Politiker a.D. einem aktiven zu.

Sowas haben Politiker auszuhalten und sie halten es auch aus. Sonst wären sie ja keine. Außerdem haben sie oft Coaches, um sowas auszuhalten. Auch unter freiem Himmel.

Sowas schreit, weiß Gott, nicht gleich zum Himmel. Aber es spitzt die Ohren der Zuhörenden und schärft die Augen Lesender. Aha - sowas geht also inzwischen wieder. Und auch bei uns.

Etwas Gutes hat solch Auftritt: Dem anderen die andere Meinung ins Gesicht zu sagen, ist ehrlicher als „After-Reden“.

Dies altmodische Wort kommt in der Bibel vor und meint seitdem in allen möglichen Mundarten immer dasselbe: hinter dem Rücken Abfälliges, Beleidigendes reden. Über den, dem der Rücken gehört. Das passiert zwar immerzu, aber nicht in jener Szene. Von der könnte man sagen, dass die beiden Redner „Tacheles“ gesprochen hätten. Das kommt wiederum aus dem älteren Jiddischen (tachles) und Hebräischen (taklit) und meint zur ‘Sache kommen’.

Zu Sache zu kommen, heißt aber nicht, dem anderen blöd zu kommen, indem man ihn der Blödigkeit zuordnet.

Also – raus mit der Sprache? Aber ja! Die Frage ist - mit welcher.

Noch haben wir in den Heidestädten kein Weimar, Bonn oder Berlin. Und (noch) keinen Trump. Bisher gibts noch Bemühung um Respekt.

Ausrutscher dabei zeigen erst recht, dass der Ton die Musik macht. Besonders beim zur Sache kommen.

16. April 2024