Auch ein Urlaubsstart
Auf dem Bürgersteig stand eine schwarzgekleidete Gruppe von Menschen, die beiseitetraten, als der funkelnagelneue De Luxe-Wohnwagen direkt vor ihnen hielt. Die schwarzgekleideten Menschen trugen Trauer. Das lag nahe, weil die Parkstraße vor dem Friedhof und dessen Kapelle angelegt worden war.
Zwei Parklücken waren reserviert worden. Durch zwei Schilder „Reserviert“. Auf zwei Parkplätze verteilt. Hintereinander
Der Fahrer, kurzärmeliges blaues T-Shirt, Jeans, weiße Turnschuhe. Er stieg vorne aus, die zwei Stufen runter, sammelte die beiden Schilder ein, stieg wieder hoch, rangierte vor und zurück. Nur jeweils einmal. Dann war er drin.
Einer in Schwarz sagte: “Toll. Digitale Parkassistenz.“. Eine Frau sagte: „Eine Provokation, mit sowas hier zu parken! Friedhofsparkplatz….“
Als die Glocke der Friedhofskapelle zu trauern begann, öffnete sich die Tür an der Längsseite des De Luxe-Wohnwagens. Aus der trat der Fahrer von eben, schaute um sich, grüßte bemessen freundlich. Hinter ihm her schauten zwei Kindergesichter und ein Dackelkopf. Eine Hand aus dem Innern zog die Tür wieder hinter ihm zu.
Es war der Pastor. Talar, blütenweißes Bäffchen, tadellos gewienerte schwarze Halbschuhe, schwarze Hose. Weiße Skriptseiten in der Agenda in der linken Hand.
Eine Dame aus der Gruppe der Trauergäste ging ihm entgegen. „Wir haben Sie in dem - - in diesem“, sie wies auf den Wohnwagen, „gar nicht erkannt, Herr Pastor.“
Johannes war um diese Beerdigung nachdrücklich gebeten worden. Vom Verstorbenen und seiner Familie. Der Beerdigungs-Termin lag am ersten Urlaubstag von Johannes. Lange vorher angefragt. Aber Johannes hatte abgesagt. Auf den lokalen Geistlichen verwiesen. Aber mit dem sei alles vorbesprochen. Alles ok. Die Bitte wurde wiederholt: „Bitte, Herr Pastor – bitte! Ulli war so sicher, dass Sie es machen!“
„Ich komme aber mit Wohnwagen und wir fahren gleich weiter an die Ostsee“, hatte Johannes gesagt und die Trauerfamilie hatte gedankt. Das mache doch nichts. Hauptsache, er begleite trauernde Lebende und diesen Toten.
Das Geld für den Wohnwagen de Luxe hatte Johannes von Tante Rosi geschenkt bekommen. 89 Jahre alt. Sie hatte es kürzlich geerbt von ihrer Cousine. 90 Jahre. „Erfüllt euch einen großen Wunsch, Kinder!“
Schuldgefühle hatte Johannes trotzdem bei der Wunscherfüllung. Eine Kirchenvorsteherin verringerte sie: „Denken Sie an den Peiner Pastor, der Porsche fuhr. Auch nur ein Geschenk. Von seiner Frau. Mitinhaberin einer Braunschweiger Privatbank seit ihrer Geburt. Nur wegen Erbes kann man ja nicht auf große Liebe verzichten.“
05. August 2025