Zeitungsente
Es ist eben keine Ente: Das Ende der Zeitung naht. Zwar nicht in Kürze, aber absehbar.
Was bin ich dankbar für mein hohes Alter, weil ich wohl bis zu meinem Ende als Leser das Rascheln beim Umblättern hören können darf. Dass ich mich hinter der Zeitung verstecken, sie als Sonnenschutz oder Bedeckung für ein Nickerchen nutzen kann. Die Ränder für Notizen. Und natürlich auch lesen. Bei den Großeltern in Celle war die Celle`sche Zeitung an ihrem Schluss auch noch physiohygienisch wichtigstes Material auf der Toilette
Nun also die Umstellung der Zeitungslandschaft auf digitale Zeitung. Zeitung stammt von „zigunde“ und hieß ganz früher, was sie heute noch ist: Nachricht.
Glücklicherweise fängt unsere AZ nicht mit diesem Verzicht auf die Papierfassung an, sondern die TAZ, eine überregionale Tageszeitung. Nur noch deren Wochenendausgabe erscheint als Printzeitung.
Doch auch die AZ erscheint schon digital und die auf Papier gedruckte Fassung beginnt sich auszuschleichen aus den Druckkosten, den Personalkosten für das Austragen der Zeitung und Einstopfen in die Zeitungsröhren. Die Jüngeren unter uns lesen sowieso nur noch auf ihren Handys Zeitung. Wenn überhaupt.
Mit dem Sterben der Papierzeitungen wird eine buchstäblich berührende Institution sterben: das Berühren der Zeitungen.
„Berühren“ – das ist eines der spannendsten Wörter, vielleicht das spannendste. Im Alt-Griechischen gibt es „Berühren“ gleich zweimal: taktiles und haptisches Berühren.
Taktil (von „taktein“) bedeutet Berühren und haptisch (von haptein) – auch. Das eine meint das Berührtwerden passiv, das andere das Berühren aktiv. Was sind das für Unterschiede in der Liebe!
Natürlich berührt der Zeitungsautor die Tasten seines PC`s oder Laptops. Aber auch solche Berührung ist fast nichts gegen die Welt der Berührungen von Gutenbergs Kunst mit den Holzlettern, die einzeln in eine Reihe gesetzt dann die Zeile ergaben. Dann den Absatz. Und schlussendlich eine ganze Seite.
Das Berühren der Holzlettern hatte immerhin noch mechanische Nachfahren durch „Erica“. Erica war die mechanische Schreibmaschine meiner Mutter und ihr „Klack--Klackklack-Klack“ war die Einschlafmusik meiner Kindheit.
Ich habe jetzt von Frau Genzel zwei mechanische Schreibmaschinen geerbt. Eigentlich von ihren Eltern in Bienenbüttel.
Eine stationäre und eine Reiseschreibmaschine. Voll funktionsfähig. Ich schreibe auf der letzteren. Und fühle mich auch wieder voll funktionsfähig.
28. Oktober 2025