Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide, 23. September 2010

 

ERINNERUNGEN AN 30 JAHRE „HEUTE..."

Marc Rath

Marc Rath über ein besonderes Jubiläum von Hans-Helmut Decker-Voigt

Ein besonderes Stück Zeit(ungs)geschichte


Im September 1980 wahlkämpften Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauß miteinander um die Kanzlerschaft, galten Leonid Breschnew und Jimmy Carter als die mächtigsten Männer der Welt. Für die frisch gegründeten Grünen war die Fünf-Prozent-Hürde noch ein richtiges Hindernis. Twix hieß noch Raider und die AZ bekam genau am heutigen Tag einen neuen Kolumnisten - Hans-Helmut Decker-Voigt. Der Schriftsteller, Psycho- und Musiktherapeut ist während der Jahre von Hösseringen nach Allenbostel gezogen, seine beiden Töchter sind längst erwachsen, die AZ erscheint inzwischen vierfarbig und hat sich während der drei Jahrzehnte das ein und andere Mal ein wenig aufgehübscht.

Decker-Voigts „Erinnerungen an Heute" sind dabei wie ein lieb gewordenes Möbelstück mit umgezogen, wurden dann und wann etwas herausgeputzt und sind stets zuverlässig alle zwei Wochen dienstags an dieser Stelle zu finden. Der Autor hat sie uns schon von allen Kontinenten pünktlich geschickt - diese Zeilen wird er in Japan lesen. Nichts ist so vergänglich wie die Tageszeitung, heißt es ja gemeinhin. Für manche ist (naja war) sie am Tag danach nur noch zum Einwickeln von Fischen gut. Mittlerweile sind die ersten Redaktionsmittarbeiter schon - mitunter deutlich - jünger als die ersten „Erinnerungen an Heute". Und auch sonst ist vieles nicht mehr so wie es einmal war. Im dichten deutschen Blätterwald wird man lange suchen müssen, bis man ein ähnliches Jubiläum finden dürfte. Hans-Helmut Decker-Voigts Schilderungen vieler kleiner und manch großer Begebenheiten gehören zum Inventar der AZ. Und das im besten Sinne dieses Wortes. Die Dimension dieses Jubiläums wird einem vielleicht erst richtig deutlich, wenn man es mit den Erinnerungen an damals mal ganz persönlich nimmt. Gehen Sie doch noch einmal 30 Jahre zurück. Der Autor selbst hatte just damals seinen ersten Promi-Kontakt als jungscher Schülerreporter im Range eines stellvertretenden Chefredakteurs der Schülerzeitung. Eine resolute ehemalige Oberbürgermeisterin hakte sich am Rande einer Wahlkampfveranstaltung bei ihm und einem weiteren Neuntklässler mit den Worten „Wir gehen jetzt zusammen zu Johannes Rau" unter. Der war damals noch recht frisch im Amt als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident. Die kleine Begegnung griff die Lokalpresse auf. Den Ausschnitt gibt's noch heute - als Erinnerung an damals. Viel ist seitdem passiert. Bei kaum einem konnte man das so prägnant miterleben wie bei Decker-Voigt in seinen Erinnerungen. Eine ganze Gilde an Autoren hat es inzwischen zu berechtigtem Ruhm geschafft, weil sie die Geschichten ihrer Familie und der damaligen Zeit nachträglich rekonstruiert haben. Hans-Helmut Decker-Voigt liefert sie uns praktisch in Echtzeit - fast live. Seine Erinnerungen d zu einem ganz besonderen Stück von Zeitungsgeschichte(n) geworden. Gestern. Heute. Morgen. Und hoffentlich noch viele Jahre. Das nächste Mal am 5. Oktober.